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Schrumpfe und Gedeihe

Schrumpfen klingt schrecklich. Wer wird schon gerne zum faltigen Zwerg. Weniger werden macht Angst, oder?

Aktuell wächst die Menschheit zwar lustig weiter. Doch das Mehr wird Weniger. Irgendwann, vielleicht noch in diesem Jahrhundert, hat´s ein Ende mit dem Wachstum. Die Menschheit wird beginnen zu schrumpfen. Ist das nun gut oder schlecht?

Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen. Wie sollen immer weniger Junge immer mehr Alte versorgen? Wo sollen die Fachkräfte herkommen? Wird die Menschheit selbst zum faltigen Zwerg?

Der renommierte Demograph Vegard Skirbekk hat darüber ein Buch geschrieben: "Decline and prosper". Schrumpfe und gedeihe wäre eine naheliegende Übersetzung. Eine deutsche Übersetzung gibt´s bislang leider nicht, aber das Buch lässt sich mit durchschnittlichen Englisch-Kenntnissen gut lesen. Herr Skirbekk sieht dem Schrumpfen mehr als entspannt entgegen. Nicht nur für ihn ist es die Chance. 

Denn wenn immer mehr Menschen immer mehr individuellen Wohlstand wollen, dann wird´s eng. Die Erde ist stur. Sie verweigert ein Upgrade. Sie bleibt so groß wie sie ist. Basta!

Siedlungs- und Verkehrsflächen machen in Deutschland derzeit ca. 51.315 km2 aus. Ca. 45%  davon sind versiegelt. Deutschland ist also zu knapp 7% zubetoniert. Aktuell kommen jedes Jahr 212 Quadratkilometer Beton dazu. Autobahnen, Industrie- und Siedlungsgebiete werden weiter geplant, als gäb´s kein Morgen. Irgendwann ist Ende Gelände - ganz wörtlich. 

Das ist nur ein kleines Beispiel. Viele Menschen brauchen einfach viel Platz. Nicht zur zum Wohnen und Fahren. Wir wollen auch was Essen, brauchen Energie und vor allem in der Freizeit sollte es uns so richtig gut gehen.

Teilen kann schön sein, wenn man ohnehin genug hat. Doch was ist schon genug? Hier gehen die Vorstellungen weit auseinander. Als sicher darf gelten, dass wir mit dem, was sie vor 50 Jahren hatten, heute nicht mehr zufrieden wären. So ist der Mensch. Er will immer mehr haben. Absolute Zahlen sind nichts. Es geht um Veränderung - möglichst nach oben. Das nennt man Wachstum.

Aber auch Wachstum will verteilt werden. Es ist eine Art Wettrennen. Wer wächst schneller - Wirtschaft oder Bevölkerung? Wenn die Bevölkerung schneller wächst als die Wirtschaft, bleibt für den Einzelnen weniger. 

In Deutschland ist das bislang kein Problem. Das BIP/Kopf wächst. Jeder müsste ein bisschen mehr haben, wenn der Zuwachs gleichermaßen verteilt wird.

In anderen Bereichen läuft´s nicht so gut. Die Klimaziele werden nicht erreicht, Wetterextreme nehmen zu, die Grundwasserspiegel sinken, die Arten sterben, die Zufriedenheit sinkt, die Aggression wächst und die AfD blüht auf. Lassen sich diese Probleme mit der bisherigen Erfolgsformel des Immer-mehr-werdens lösen? Oder darf´s zur Abwechslung mal etwas weniger sein?

Für Herrn Skirbekk ist die Antwort eindeutig. Irgendwann werden wir sowieso weniger. Nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Erde. Wir könnten uns dieser Herausforderung genauso gut jetzt schon stellen. Wir können uns gesundschrumpfen. Es gibt gute Konzepte - aber zu viel unnötige Angst. 

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