Die Geschichte lehrt uns, dass man nicht unbedingt eine Minderheit sein muss, um diskriminiert zu werden.
Auch die Diskriminierung der Frau war (und ist) über Jahrtausende fester Bestandteil vieler Kulturen.
Dass Frauen überhaupt wahlberechtigt sind und politische Ämter bekleiden dürfen, ist eine Errungenschaft des vergangenen Jahrhunderts. In der Schweiz wurde das Frauenwahlrecht erst 1971 eingeführt, in Deutschland immerhin schon 53 Jahre früher. Doch vieles spricht dafür, dass Frauen noch immer benachteiligt werden.
Moderne, aufgeklärte Gesellschaften wollen der Diskriminierung der Frau nun endgültig ein Ende machen. Da die Mechanismen patriarchalischer Gesellschaften aber manchmal schwer zu durchschauen und noch schwerer zu durchbrechen sind, wurden vielerorts Quoten eingeführt, um den Frauen ihre Plätze in bedeutsamen Gremien zu sichern. Die Grünen haben sich dazu etwas ganz besonderes einfallen lassen. Ihr "Frauenstatut" regelt die Kandidaten-Reihenfolge in Wahllisten aller Art. Dieses Frauenstatut besagt:
Die ungeraden Plätze (1,3,5,7...) sind den Frauen vorbehalten.
So weit, so gut... Aber auf die geraden Listenplätze (2,4,6,8...) können sich Kandidaten jedes Geschlechtes bewerben, also wiederum auch Frauen. Konkret heißt das, dass Männer maximal 50% der Listenplätze bekommen können, Frauen aber bis zu 100%.
Unter Diskriminierung versteht man im Allgemeinen die systematische Benachteiligung einer Bevölkerungsgruppe aufgrund eines bestimmten Merkmals.
Es ist relativ offensichtlich, dass Männer und Frauen im Frauenstatut der Grünen nicht gleichbehandelt werden. Männer werden benachteiligt, unabhängig von ihrer Eignung, alleine aufgrund ihres Geschlechtes. Sie werden - und das kann man erstmal ganz unempört und nüchtern feststellen - diskriminiert.
Will man mit diesem Hinweis zum grünen Bundesbeauftragten für Diskriminierung vordringen, so bekommt man eine Antwort von einer Frau aus dem grünen Frauenreferat. Das mutet etwas seltsam an. Im Frauenreferat kann man als Mann nicht unbedingt viele Fürsprecher erwarten. Einen Diskriminierungsbeauftragten, so bekommt man zu hören, gibt es bei den Grünen nämlich nicht.
Es verwundert nicht, dass man im Frauenreferat das Problem nicht so recht nachvollziehen mag.
Es läge dem Frauenreferat und der grünen Programmatik fern, im Frauenstatut eine Diskriminierung von Männern zu sehen. Man begründe das Frauenstatut vielmehr mit Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes. Hier würde schließlich vom Staat gefordert, die Gleichberechtigung (nur der Frau?) wirklich durchzusetzen. Solange diese Gleichberechtigung in der Gesellschaft aber nicht realisiert sei, sei es angemessen und verhältnismäßig, Frauen verstärkt Chancen zu ermöglichen.
Heiligt also der Zweck die Mittel? Darf man die offensichtliche Diskriminierung der Männer in Kauf nehmen, um die gesellschaftliche Position der Frauen zu stärken? Ist dies überhaupt notwendig, um das angestrebte Ziel zu erreichen? Wäre eine 50:50-Quote nicht völlig ausreichend. Muss man den Frauen wirklich die Macht einräumen, den Männeranteil auf 0% drücken zu können, um sie zur Mitarbeit zu motivieren? Eine Leitschnur, die bei der Beantwortung dieser Fragen helfen könnte, ist - neben dem Grundgesetz - der kategorische Imperativ. In seiner einfachsten Form lautet er:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg´ auch keinem andren zu.
Würde man die Frauen fragen, ob sie beim "Frauenstatut" einem Rollentausch zustimmen würden, ob man es also nicht genauso gut in ein "Männerstatut" verwandeln könne (maximal 50% der Listenplätze für Frauen, bis zu 100% der Listenplätze für Männer), so könnte man sich der empörten Ablehnung dieses Vorschlags von vornherein gewiss sein. Wenn aber die Frauen (bzw. die Befürworter des Frauenstatuts) um keinen Preis die Rollen vertauschen wollen, so sind sie des Verstoßes gegen den kategorischen Imperativs überführt.
Darf man also Männer diskriminieren, um Frauen zu fördern?
Diese Frage kann nur mit einem entschiedenen NEIN beantwortet werden. Eigentlich sollten auch Frauen diese Frage mit NEIN beantworten. Diskriminierung kann NIE durch ein "edles" Ziel gerechtfertigt werden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem kategorischen Imperativ, sondern auch aus dem Grundgesetz.
Die Grünen verwenden paradoxerweise das Grundgesetz, welches Diskriminierung untersagt, um ihre (unnötige) Form der Diskriminierung zu begründen.
Die Grünen sind sicher keine bösartigen Menschen. Aber sie sind eindeutig über´s Ziel hinaus geschossen. Ihr Frauenstatut ist unnötig. Eine "normale" 50%-Quote würde ihnen ihre Plätze in den Parlamenten sichern. Das unnötige Frauenstatus verstößt dabei nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen den Kategorischen Imperativ, also gegen das, was viele Menschen als "Anstand" bezeichnen. Es wird Zeit für die Partei, diesen bizarren Fehler zu erkennen und zu korrigieren.
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Christoph (Wednesday, 23 June 2021 11:58)
Es ist schändlich für eine moderne und demokratische Partei... Nur weil Männer in der Vergangenheit Frauen diskriminiert haben, müssen Frauen nun doch nicht die gleichen dummen Fehler machen. Mir hat mal eine Führungskraft (Frau) mal in der Tat es so direkt gesagt: "Ihr wart die letzten zwei tausend Jahre dran, jetzt sind wir dran".
Als moderner Mann möchte ich keine Quoten. Wir sollen eine Gesellschaft hin bekommen in der es schlicht egal ist, ob man Frau, Mann oder divers, oder was auch immer ist... Die bestgeeignete Person soll als erste eine Position angeboten bekommen!
Quoten haben einen riesen Nachteil für Frauen: Gerade den Frauen, die wirklich was draufhaben und Kariere gemacht haben, wird dummerweise oft vorgeworfen, dass sie einfach nur Quoten Frau seien. Daher, ob sich die Damen mit dem Kampf um die Quoten wirklich einen Gefallen tun...? Ich würde lieber mich gegen Benachteiligungen, egal aus welchem Grund: Geschlecht, Abstammung, sexuelle Orientierung, Religion, usw. einsetzen wollen. Erst dann wären wirklich alle, wie es in Grundgesetz steht, gleichgestellt.
Diese Haltung der Grünen bedeutet für mich, sie nicht mehr zu wählen...
Christian Voll (Thursday, 24 June 2021 10:33)
Ich sehe es ganz ähnlich. Quoten unterteilen die Gesellschaft und ziehen Grenzen zwischen einzelnen Gruppen. Wenn eine besser geeignete Person aufgrund ihres Geschlechtes abgelehnt wird, so ist dies in jedem Fall ein Akt der Diskriminierung. Doch das Frauenstatut setzt noch eins drauf und verbrämt die nun für jedermann offensichtliche Gegendiskriminierung mit dem Alibi der „Förderung“. Und das Tragische ist, dass die Grünen tatsächlich glauben, das sei gerecht, dass sie hartnäckig an ihrem Irrtum festhalten und sich auf dem identitätspolitischen Terrain in eine hoffnungslose Sackgasse manövrieren.